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ERV von der Erstregulierung zur Verpflichtung

Der Gesetzgeber hat in mehreren Phasen begonnen den elektronischen Rechtsverkehr einzuführen. In einer ersten Phase („Erstregulierung“) wurde daher 1997 mit dem „Gesetz zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikationsdienste“ (IuKDG), das am 1.8.1997 bzw. am 1.1.1998 in Kraft trat erstmalig das „Internet“ geregelt. Dazu enthielt das IuKDG u.a das Teledienstegesetz (TDG). Dieses regelte, grob gesagt, die Pflichten beim Betreiben von Webseiten. Mit Wirkung vom 1.3.2007 wurde das TDG umbenannt und trat nunmehr als Telemediengesetz (TMG) in Kraft. Mit dem Gesetz zur digitalen Signatur (Signaturgesetz) wurde auch erstmalig das elektronische Signieren geregelt.

Nachdem die Nutzung des Internet immer weiter voranschritt vertiefte der Gesetzgeber im Jahr 2001 die Regulierung des ERV („Vertiefungsregulierung“). Mit dem „Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr (Formanpassungsgesetz) traten am 1.8.2001 Änderung im BGB in Kraft. Der Gesetzgeber führte die rechtswirksame elektronische Signatur (§ 126a BGB Elektronische Form) ein. Diese konnte nun die Schriftform nach § 126 BGB ersetzen. Ferner wurde, speziell mit Bick auf E-Mail und Webseiten der § 126b BGB (Textform) als neue Form geschaffen. Mit dem § 130a ZPO (Elektronisches Dokument) wurden sodann die Länder ermächtigt durch Rechtsverordnung sogenannte elektronische Dokumente einzuführen. Mit dem „Gesetz zur Reform des Verfahrens bei Zustellungenim gerichtlichen Verfahren (Zustellungsreformgesetz) vom 5.6.2001 wurde es insbesondere möglich bei einer Zustellung gegen Empfangsbekenntnis nach § 174 ZPO dieses neben der „Papierform“ auch elektronisch abzugeben und zu empfangen.

Namentlich die Bundesgerichte (BAG, BFG, BGH, BSG und BVerwG) eröffneten zwischen 2001 und 2006 in Folge den ERV. Sehr erfolgreich waren vor allem der BFH und das BVerwG mit dem „Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach“. Diese Form des ERV bestand aus einem EGVP-Netz auf der Basis des Webs (etwa so wie Skype) und einem Computerprogramm, dem EGVP-Client, mit dem man im EGVP-Netz Nachrichten austauschen kann.

Im Rahmen dieser und anderer kleinerer Anwendungen erließ der Gesetzgeber vertiefend („Umsetzungsregulierung“) weitere Regelungen mit dem „Gesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz“ (Justizkommunikationsgesetz) vom 22.3.2005. So wurde es nach § 130b ZPO möglich gerichtliche Dokumente die bisher eine handschriftliche Unterzeichnung erforderlich machten als „gerichtliches elektronisches Dokument“ elektronische rechtswirksam zu signieren. Die elektronische Akte nach § 298a ZPO wurde eingeführt und unter anderem die Beweisregeln mit § 371a ZPO entsprechend angepasst. In den Jahren 2007 bis 2009 wurden dann insbesondere die Handels- und Genossenschaftsregister, das Mahnverfahren und das Grundbuchverfahren auf den ERV umgestellt.

2010 musste man ernüchtert feststellen, dass sich der ERV nur sehr schwach durchgesetzt hat. Am ehesten noch im Online-Mahnverfahren, das hier durch das „Zweite Gesetz zur Modernisierung der Justiz“ (2. Justizmodernisierungsgesetz) vom 22. Dezember 2006, sowie durch das „Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts“ vom 12.12.2007 unter anderem der § 690 Abs. 3 ZPO dahingehend geändert worden war, dass Rechtsanwälte und registrierte Inkassodienstleister Anträge auf Erlass eines Mahnbescheids im gerichtlichen Mahnverfahren nur noch in nur maschinell lesbarer Form einreichen konnten.

Die jüngste Phase gesetzgeberischer Aktivität könnte man wohl am ehesten mit „Verpflichtungsregulierung“ überschreiben. Anders als bei anderen Regelungen zuvor schreibt der Gesetzgeber nun ein Stufenprogramm mit jeweils verpflichtenden Schritten fest. Hier sind insbesondere das „Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung“ (E-Government Gesetz) in Krft ab 1.8.2013 und das für die Justiz und Anwaltsschaft sehr bedeutende „Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten“ (FördElRV/“E-Justice Gesetz“) teilweise in Kraft ab 17.10.2013, überwiegend in Kraft ab 1.12018.

Nach diesem Gesetz wurde die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) verpflichtet für alle Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen in Deutschland ein besonderes elektronisches Postfach (beA) einzurichten. Durch dieses Postfach können sich die Anwältinnen und Anwälte untereinander stets sicher erreichen und über das EGVP-Netz ebenso mit der Justiz kommunizieren. Näheres dazu unten.